Auf einem meiner jüngsten Streifzüge durch die unendlich weiten weiten Weiten, von Mitreisenden oft auch nur kurz „www“ genannt, bin ich auf ein Phänomen gestoßen, dass mir unbemerkt wohl schon häufiger begegnet, zuvor aber noch nie so unmittelbar spürbar geworden ist.
Ich war, wie so oft und wie so viele Andere, unterwegs durch das Facebook-Universum. Ausschau haltend nach Erlebnissen, auf der Suche nach Begegnungen, auf der Jagd nach Freunden. Immer dem Sonnenuntergang entgegen, den ich mir in meinem Profilbild praktischerweise so eingerichtet habe, dass er immer vor mir liegt. Gemächlich klickten Jolly Jumper, meine getreue Mouse – diesen Namen hat sie soeben erst bekommen – und ich durch ein paar beschauliche kleine Gruppen, Fan-Seiten. Profile.
Einige Worte zum Klimawandel hier, ein kurzer Plausch über Weihnachtsgebäck im Allgemeinen und über Dresdner Christstollen im Speziellen dort, ein rascher, eleganter Diskurs über das zerrüttete Verhältnis zwischen Till Schweiger und dem Feuilleton, dann wieder weiter zu nächsten Parzelle. Nichts Aufregendes also. Friedlich, aber ein wenig rastlos. Bis schließlich mein suchender Blick von einem Wegweiser gefangen wird. Der Name darauf tut hier nichts zur Sache; es ist die Zahl, die mich in ihren Bann schlägt.
164.253 steht dort geschrieben. 164.253 Mitglieder, Fans, Siedler, Seelen. Wären wir im Wilden Westen – nur ein „w“ weniger übrigens – so hieße es unter dem Namen des Stadt „Einwohner: 164.253“ Und man könnte die älteren, durchgestrichenen, kleineren Zahlen erkennen. Ständig nach oben korrigiert. Kurz, eine Boomtown!
Genau das, was ich gesucht habe. Mich dürstet nach Lebendigkeit. Nach Gezeter und Geschrei im Saloon. Nach quirligem Schieben und Drängen auf den überfüllten Sidewalks. Nach dem Rumpeln großer Gefährte auf den löchrigen Strßen, nach Schüssen, nach Musik, nach Abenteuer. Erwartungsfroh trete ich ein.
Ein kurzer Schauer durchläuft mich, als mich Jolly über den Ortseingang klickt. Kaum wahrnehmbar und scheinbar ohne besonderen Grund.
Wir eilen zur großen Anschlagstafel im Zentrum der Gemeinde, um zu sehen, wo wohl am meisten los sein mag, wo wir mit unserem Streifzug beginnen sollen. Dicht gedrängt stehen die Meldungen. Heiteres, Kulturelles, Persönliches, Dummes und Kluges. Meine Augen fliegen über die Zeilen. Bei der fünften oder sechsten Nachricht stutze ich. Eine aufgeregte Beschwerde über ein Abseitstor. Bei der Fußball-EM in Österreich!
Da hat sich aber jemand seinen Frust lange aufbewahrt, denke ich und setze schon zu einer tröstlich, originellen Antwort an. Da fällt mein Blick auf das Datum: 16. Juli 2008. Ich schrecke zurück. Hektisch schau ich auf die Meldung davor. 18. Juli 2008. Mein Blut, eben noch aufgeregt siedend, erkaltet. Die jüngste Nachricht, kaum wage ich nachzusehen, tatsächlich: 21. Juli 2008. Anderthalb Jahre alt.
Eisige Stille scheint sich plötzlich um mich herum auszubreiten. Die Farben, eben noch einladend leuchtend, scheinen fahl zu verblassen. Zaghaft klopfe ich an ein paar Türen, klicke mich durch Profile der Anrainer.
„Letzter Eintrag 11. August 2008“, „14. August 2008“, „3. September 2008“. Sie sind alle fort. Nur leere Gebäude, verlassene Fassaden an denen noch die Neonreklame leuchtet, verheißungsvoll und doch hoffnungslos.
Eine Ghost-Town – angefüllt nur mit der Erinnerung an vergangene Tage, als hier noch Besucherströme die Gehwege füllten und in langen Schlangen vor den bunt blinkenden Verlockungen anstanden. Zögerlich wende ich Jolly Jumper und mache mich auf den Rückweg.
Und meine Gedanken schweifen. Was war hier geschehen. Und was wird hieraus werden?
Die verlassenen Goldgräberstädte am Yukon sind langsam verfallen, die „Wanted- Dead or Alive“-Plakate irgendwann von den morschen Wänden geblättert. Die Palisadenstädte der Kelten wurden nieder gebrannt, die römischen und ägyptischen Metropolen der Antike versanken allmählich im Staub der Geschichte, bis sie von Schatzjägern der Neuzeit wieder ausgegraben wurden. Aber hier?
Die Oberflächen glänzen wie neu. Alles strahlt, als wäre es gestern erst errichtet worden. Hier verfällt nichts. Nichts wird hier eingerissen, nicht niedergerannt. Die unendlich weiten weiten Weiten sind weit genug, um immer nur Neues zu bauen.
Und so lachen die Profilbilder von den makellosen HTML-Wänden, wie die wächsernen Masken der Madam Toussad. Für wie lange? Für immer? Ewige Jugend in der virtuellen Geisterstadt?
Ich blick in meinen Sonnenuntergang und versuche die Wärme zu spüren. Es will mir so recht nicht gelingen.
Ich war, wie so oft und wie so viele Andere, unterwegs durch das Facebook-Universum. Ausschau haltend nach Erlebnissen, auf der Suche nach Begegnungen, auf der Jagd nach Freunden. Immer dem Sonnenuntergang entgegen, den ich mir in meinem Profilbild praktischerweise so eingerichtet habe, dass er immer vor mir liegt. Gemächlich klickten Jolly Jumper, meine getreue Mouse – diesen Namen hat sie soeben erst bekommen – und ich durch ein paar beschauliche kleine Gruppen, Fan-Seiten. Profile.
Einige Worte zum Klimawandel hier, ein kurzer Plausch über Weihnachtsgebäck im Allgemeinen und über Dresdner Christstollen im Speziellen dort, ein rascher, eleganter Diskurs über das zerrüttete Verhältnis zwischen Till Schweiger und dem Feuilleton, dann wieder weiter zu nächsten Parzelle. Nichts Aufregendes also. Friedlich, aber ein wenig rastlos. Bis schließlich mein suchender Blick von einem Wegweiser gefangen wird. Der Name darauf tut hier nichts zur Sache; es ist die Zahl, die mich in ihren Bann schlägt.
164.253 steht dort geschrieben. 164.253 Mitglieder, Fans, Siedler, Seelen. Wären wir im Wilden Westen – nur ein „w“ weniger übrigens – so hieße es unter dem Namen des Stadt „Einwohner: 164.253“ Und man könnte die älteren, durchgestrichenen, kleineren Zahlen erkennen. Ständig nach oben korrigiert. Kurz, eine Boomtown!
Genau das, was ich gesucht habe. Mich dürstet nach Lebendigkeit. Nach Gezeter und Geschrei im Saloon. Nach quirligem Schieben und Drängen auf den überfüllten Sidewalks. Nach dem Rumpeln großer Gefährte auf den löchrigen Strßen, nach Schüssen, nach Musik, nach Abenteuer. Erwartungsfroh trete ich ein.
Ein kurzer Schauer durchläuft mich, als mich Jolly über den Ortseingang klickt. Kaum wahrnehmbar und scheinbar ohne besonderen Grund.
Wir eilen zur großen Anschlagstafel im Zentrum der Gemeinde, um zu sehen, wo wohl am meisten los sein mag, wo wir mit unserem Streifzug beginnen sollen. Dicht gedrängt stehen die Meldungen. Heiteres, Kulturelles, Persönliches, Dummes und Kluges. Meine Augen fliegen über die Zeilen. Bei der fünften oder sechsten Nachricht stutze ich. Eine aufgeregte Beschwerde über ein Abseitstor. Bei der Fußball-EM in Österreich!
Da hat sich aber jemand seinen Frust lange aufbewahrt, denke ich und setze schon zu einer tröstlich, originellen Antwort an. Da fällt mein Blick auf das Datum: 16. Juli 2008. Ich schrecke zurück. Hektisch schau ich auf die Meldung davor. 18. Juli 2008. Mein Blut, eben noch aufgeregt siedend, erkaltet. Die jüngste Nachricht, kaum wage ich nachzusehen, tatsächlich: 21. Juli 2008. Anderthalb Jahre alt.
Eisige Stille scheint sich plötzlich um mich herum auszubreiten. Die Farben, eben noch einladend leuchtend, scheinen fahl zu verblassen. Zaghaft klopfe ich an ein paar Türen, klicke mich durch Profile der Anrainer.
„Letzter Eintrag 11. August 2008“, „14. August 2008“, „3. September 2008“. Sie sind alle fort. Nur leere Gebäude, verlassene Fassaden an denen noch die Neonreklame leuchtet, verheißungsvoll und doch hoffnungslos.
Eine Ghost-Town – angefüllt nur mit der Erinnerung an vergangene Tage, als hier noch Besucherströme die Gehwege füllten und in langen Schlangen vor den bunt blinkenden Verlockungen anstanden. Zögerlich wende ich Jolly Jumper und mache mich auf den Rückweg.
Und meine Gedanken schweifen. Was war hier geschehen. Und was wird hieraus werden?
Die verlassenen Goldgräberstädte am Yukon sind langsam verfallen, die „Wanted- Dead or Alive“-Plakate irgendwann von den morschen Wänden geblättert. Die Palisadenstädte der Kelten wurden nieder gebrannt, die römischen und ägyptischen Metropolen der Antike versanken allmählich im Staub der Geschichte, bis sie von Schatzjägern der Neuzeit wieder ausgegraben wurden. Aber hier?
Die Oberflächen glänzen wie neu. Alles strahlt, als wäre es gestern erst errichtet worden. Hier verfällt nichts. Nichts wird hier eingerissen, nicht niedergerannt. Die unendlich weiten weiten Weiten sind weit genug, um immer nur Neues zu bauen.
Und so lachen die Profilbilder von den makellosen HTML-Wänden, wie die wächsernen Masken der Madam Toussad. Für wie lange? Für immer? Ewige Jugend in der virtuellen Geisterstadt?
Ich blick in meinen Sonnenuntergang und versuche die Wärme zu spüren. Es will mir so recht nicht gelingen.
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