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Weges-Rand-Notizen: Auf den Spuren des Dregenios VI

Sechster Tag, Do. 10.6.2010

Heute Rasttag. Wir bleiben in der gleichen Unterkunft, worüber sich die Wirtin ausgesprochen nett freut, und Brooklyn beschließt das Zimmer eigentlich gar nicht verlassen zu wollen. Schlafen, kühlen und die Füße ausruhen. Ich mache eine entspannte Runde in den 1 km entfernten Nachbarort – ohne Gepäck, herrlich.


Im Nachbarort gibt es das Lebensmittelgeschäft und die Bank. Dafür ist in „meinem“ Ort der Kindergarten und das Sonntagskonzert in der Kirche findet hier statt. Übers Feld von einem Ort in den anderen laufen. So wie’s die Einheimischen jahrhunderte lang getan haben.


Ich bin ja – schon von Berufswegen – ein großer Freund des Internets, ich fahre leidenschaftlich gerne und weit mit dem Auto, ich liebe es zu fliegen… Aber trotzdem, manchmal gefalle ich mir in dieser intensiven Sehnsucht und dem Gefühl im falschen Zeitalter zu leben.


Am Nachmittag kann ich Fräulein Brooklyn zu einer kleinen Runde um den Kirchplatz bewegen. Dabei beschließe ich allerdings, die letzen anderthalb Etappen zu streichen und morgen, nach ganz behutsam den nächsten Bahnhof anzusteuern, um die Heimreise anzutreten. Brook hatscht ein bisserl und ihr Unwille zu Bewegung ist doch deutliches Signal, dass sie genug vom Wanderleben hat. Ich möchte sie jedenfalls nicht überbelasten.


Nach dem Abendessen, für das der Bruder der Wirtin extra ins Gasthaus kommt, da heute eigentlich Ruhetag ist, unternehme ich – während der Hund wieder schlafen geht - noch einen kleinen Ausflug um die Seite des Ortes, die ich noch nicht umrundet habe. Der kleine Ausflug wird sich schließlich als 3 Stunden Wanderung auf der ich zunächst in einen Fotorausch verfalle und mich dann wieder einmal kaum satt sehen kann, an den endlosen Hügelketten, den goldglänzenden Getreidefeldern, die vom untergehenden Sonnenlicht noch mit einen besonderen Glanz überzogen werden.


Ich kann gar nicht genau sagen, warum ich dieses Land, diesen Landstrich so sehr liebe. Warum der Anblick der freundlichen Hügel und Täler mit ihren Weingärten, Getreidefeldern und den weiten Wiesen mich so sehr gefangen nimmt, dass es manchmal beinahe körperlich schmerzt.



Vielleicht geht es jedem so und ist gar nichts Besonderes. Vielleicht liegt es aber auch an meinem Wesen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass mein Blick schon immer mehr auf den Horizont gerichtet war, als auf die Dinge direkt um mich herum oder gar hinter mir. Vielleicht ist dieser Teil der Welt, in dem man so scheinbar grenzenlos weit blicken kann und sich nach jeder neuen Erhebung sogleich wieder neue Horizonte auf tun, vielleicht ist es ein wenig eine Metapher für mein eigenes Leben. Für meinen Fluch und meinen Segen zugleich. Es ist mein Antrieb, der mich nie aufhören lässt, nach immer neuen Horizonten zu streben. Und es ist meine Verhängnis, lässt sich doch der Horizont nie erreichten, denn sobald ich an dem Punkt in der Ferne, der noch gerade das Ziel meiner Sehnsüchte war angelange, ist er schon nicht mehr der Horizont und ein neuer öffnet sich vor mir.


Es ist ein großartiger Abend und ich sauge die Bilder in mich auf, ebenso wie die warme Luft, die mich in frischen Brisen umstreich, angefüllt mit abertausenden von Düften und Erinnerungen. Schließlich nehmen der Horizont und ich tränenreich Abschied, wie alte Freunde, wie Geliebte, die sich lange nicht wiedersehen werden. Ich nehme Abschied von einer kurzen, aber doch intensiven und wundervollen Reise.

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