Direkt zum Hauptbereich

ZEITENFENSTER - Hintergrund: Kurzinterview mit Annette Böhm (Römerlein-Express)

Halbzeit beim Startnext-Crowndfunding zu meinem 3D Fotoprojekt "ZEITENFENSTER" (Noch bis 4. November kann mitgemacht werden!) und der erste richtig neblige Herbsttag scheint grade recht für ein paar weitere "Behind-the-scenes"-Infos.
Etliche der Bilder in der #ZEITENFENSTER-Serie habe ich mit Fotomodels aufgenommen, weil ich die echten Reenactors, die ich aus Carnuntum kenne, nicht mit endlosen Regieanweisungen "quälen" und quer über's pannonische Land jagen wollte. Nicht, dass ich die beiden Top-Models Caro und Kerstin gequält hätte - sie hatten, glaube ich, bei den Aufnahmen in der Höhle und in der Therme sogar viel Spaß - aber sie sind das Posieren nun mal gewöhnt. Spaß hatten sie vor allem auch mit den tollen, römischen Gewändern. Und über die sei heute etwas mehr erzählt.

Die aktiven Spätantike-Fans zum Beispiel des Vereins Gentes Danubii stecken ja enorm viel Zeit und Engagement in die Herstellung ihrer Gewänder. In diesen steckt also viel zu viel persönliche Verbundenheit, als dass ich mir die mal eben für Fotosessions hätte guten Gewissens ausborgen können. Zum Glück bin ich schon vor einiger Zeit auf den "Römerlein-Express" gestoßen. Diese kleine aber sehr feine Unternehmen aus Deutschland verleiht authentische, römische Gewänder! Meistens leihen sich die Kundinnen und Kunden solche für den Besuch eines Römerfestes, eine Kostümfeier oder auch schon mal für eine Motto-Hochzeit aus. Für meine Fotosessions war dieser Service aber auch absolut perfekt.

Mit der Gründerin und Betreiberin des "Römerlein-Expresses", Annette Böhm, habe ich ein kleines Interview zu den Hintergünden ihres besonderen Angebots geführt.

Daniel: Frau Böhm, als ich das erste Mal auf Ihr Angebot gestoßen bin, war ich extrem begeistert aber auch sehr überrascht. Ich weiß ja, wie aufwändig vor allem die Recherche für das Anfertigen von römsichen Gewändern ist. Dass jemand diese verleiht, fand ich ausgesprochen ungewöhnlich und spannend. Wie lange gibt es den Römerlein Express schon und wie sind Sie auf den Gedanken gekommen, römische Gewänder zu fabrizieren und diese sowohl zu verkaufen, als auch zu verleihen?



Annette Böhm liest aus dem Eineuromann (Quelle: YouTube)
Annette Böhm: Von meiner Berufsausbildung bin ich ja tatsächlich klassische Archäologin. Im Jahr 2005 war ich in einem Projekt an der Mosel tätig. Dort wurde gerade eine große Ausstellung über den Kaiser Konstantin vorbereitet, und das ganze Moselgebiet war im Römerfieber. Ich gab im Auftrag einer Tourismusorganisation Kurse, in denen ich die einheimischen Gastronomen auf das große Ereignis vorbereitete und über römisches Essen und römische Kleidung informierte. Bei den Gastwirten war das Interesse groß, ihr Personal passend zum Anlass römisch einzukleiden, aber mit der Beschaffung der Kostüme waren alle ein wenig überfordert. So kam ich auf die Idee, römische Kleidung zum Verleih anzubieten. 2006 habe ich meine Firma „Römerlein Express“ gegründet, zunächst nur als Kostümverleih. Inzwischen verkaufe ich auch Gewürze und Zutaten für römische Küche auf Märkten und im Internet und biete römische Kochkurse an.

Daniel: Woher nehmen Sie die Vorlagen und die Inspiration für die Gewänder? Und was fasziniert Sie überhaupt an dieser „Mode“?

Annette Böhm: Das Aussehen und die Schnitte der Kleider habe ich, wie ich es im Studium gelernt habe, ganz traditionell in Bibliotheken recherchiert: ich habe mir römische Wandmalereien und Statuen genau angesehen und das Schnittmuster und die Drapierung der Kleidung studiert. Dann habe ich nach meinen Angaben die ersten Kostüme in Behindertenwerkstätten nähen lassen. Zum Glück ist römische Kleidung sehr einfach geschnitten: es sind in der Regel nur gerade Stücke Stoff, die dann gewickelt und drapiert werden. Die einzige Ausnahme ist die Toga, über deren Schnittmuster auch in der Wissenschaft ein wenig diskutiert wird. Aber ich denke, ich habe da eine überzeugende Lösung gefunden, die drapiert genauso aussieht wie auf den antiken Abbildungen. 


Einige Abstriche bei der Authentizität musste ich in der Praxis aber doch machen, vor allem beim Material. Die Leihkleidung muss ja bei hohen Temperaturen gewaschen werden können. Daher sind die Kostüme nicht aus Wolle, sondern aus Baumwolle in einer etwas rustikaleren Qualität. Schuhe biete ich überhaupt nicht zum Verleih an, das ist einfach zu unhygienisch. Zum Glück kann man ja im Handel recht passabel aussehende „Römersandalen“ kaufen.
 

Models Caro (li) und Kerstin "Römerlein Express" gewandet
Mir persönlich steht römische Kleidung leider überhaupt nicht gut… Man sollte schon eine Taille haben. (Daniel protestiert! Anm.)

Daniel: Das Verleihen erscheint auf den ersten Blick etwas riskant? Müssen Sie viel flicken oder erneuern, wenn Sie die Waren zurückbekommen, oder gehen die Leute wirklich sorgsam damit um?

Annette Böhm: Ich kann meinen Kunden nur ein Kompliment machen: Die Leute gehen wirklich sorgsam mit der Kleidung um. In der Regel kommen die Kostüme unversehrt wieder zurück, manchmal sieht man gar nicht, dass sie überhaupt getragen wurden. Sie werden ja auch oft nur einen Tag oder einen Abend ausgeführt. Manchmal reißt bei den Frauenkostümen ein Knopf ab, und der ist dann schnell wieder angenäht.
Ein einziges Mal habe ich Tuniken für eine ganze Gruppe Kinder ausgeliehen, und die kamen mit schlimmen gelben Flecken zurück, weil die Kinder durch ein Lilienbeet gelaufen waren. Ich habe die Tuniken dann gelb überfärbt. Die gelben Tuniken sehen zu den bunten Übergewändern meiner Mädchen-Kombination „Delicia“ immer noch ganz reizend aus.

Vielen Dank und weiterhin alles Gute mit den Rom- und Antikenbegeisterten in aller Welt. 


Daniel: Vielen Dank auch von mir und ich werde sicher in absehbarer Zeit wieder beim "Römerlein Express" bestellen. Es warten noch viele Fotos darauf geschossen zu werden.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Veröffentlichungen

Naked Identity Wer ist Aya K? Kiew : ein Videoclip trendet im Netz. Eine Handykamera hat den Sturz von einem Hochausdach gefilmt – in der Hand eines Videobloggers, der für seine rechtslastigen Triaden berüchtigt war. Schnell identifiziert die Öffentlichkeit auf den Aufnahmen die nicht weniger bekannte Aktivistin Aya Kowalenka alias „The Naked Gypsy“ als Täterin. Die streitbare Romni, im bürgerlichen Leben Wirtschaftsprofessorin, provoziert seit Jahren in der Tradition der Femen für die Rechte von Minderheiten und Frauen. Ist sie diesmal einen Schritt zu weit gegangen oder war es Notwehr? Während rechte Bürgerwehren demonstrieren, küren Gruppen aus ihrer eigenen Community sie zur Ikone eines Widerstandskampfes. Doch dann geht eine ehrgeizige Boulevardjournalistin mit einer Enthüllung auf Sendung, die alles wieder auf den Kopf stellt.  Kann ausgerechnet Bandmanager und Gelegenheits-informant Adam Wischnewski mit seiner Wiener Truppe die Verfolgte aus dem kochenden Hexenkessel heraush

Zwischenruf: Zehn Antworten zu den – laut Piraten Partei – „zehn wichtigsten Punkte einer Urheberrechtsreform“

Nachfolgend 10 Antworten auf die von der Piraten Partei aufgestellten „zehn wichtigsten Punkten einer Urheberrechtsreform“. Die kursiv geschrieben Textteile entstammen der Website der Piraten Partei, Stand 21.5.2012 (http://www.piratenpartei.de/2012/05/21/die-zehn-wichtigsten-punkte-einer-urheberrechtsreform/) Die Antworten spiegeln in Meinung und Wissen des Autors. 1. Verkürzung der Schutzfristen auf 10 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Die aktuellen Schutzfristen (70 Jahre nach dem Tod des Urhebers) nutzen und dienen in erster Linie den Rechteinhabern. Das Problem der Nichtverfügbarkeit vieler Werke gründet sich nicht zuletzt auch in diesen übermäßig langen Schutzfirsten, da viele Werke oft nicht neu aufgelegt oder neu vermarktet werden und trotzdem nicht freigegeben sind.   Die Länge der Schutzfristen kann durchaus diskutiert werden. Die derzeit gültigen 70 Jahre nach dem Ableben eines Urhebers entstammen natürlich einer Zeit, die langlebiger war und sind letztendlich eine Zif

Sharing + Talk: „Images of Rom:nja Artists in Media and on Stage“ (Festival E Bistarde)

Was für ein inspirierender Abend! Der hochkarätig besetzte Talk „ Rom:nja Artists in Media and on Stage “ zum Abschluss des Festival E Bistarde , wunderbar ruhig, einfühlsam und souverän moderiert von der Festivalgründern Simonida Selimovic . Viele Aspekte, viele Sichtweisen, viel zum Nachdenken, ein sehr großer Bogen und das in wunderbar respektvoller Weise. Wo gibt es das schon noch, dass auf einem Panel alle Teilnehmenden einander die Zeit geben, Gedanken zu entwickeln, einander zuhören und tatsächlich interagieren, statt nur „Standpunkte“ rauszuhauen.