Ein offener Brief an Greta Thunberg anlässlich des R20 Austrian World Summit und zu der Frage, warum die politische Verantwortlichen nicht entschlossener handeln und was wir dagegen tun können, dass sie nichts tun.
Werte Greta Thunberg,
als Sie
heute anlässlich der R20-Klimakonferenz Wien besuchten und mir die Fahrplananzeigein der Wiener U-Bahn ein aufmunterndes „Öffis nützen - Klima schützen“
zublinkte, fühlte ich mich ermuntert, Ihnen ein paar Gedanken zu schreiben, die
mir schon länger nicht aus dem Kopf gehen.
Wie Sie und
wie viele andere Menschen – die Europawahlen haben es gerade gezeigt – bin auch
ich der Ansicht, dass die Rettung des Klimas und daher der schnelle und vollständige
Umbau unserer Energiewelt die größte und dringendste Aufgabe ist, die unsere
Gesellschaft derzeit zu leisten hat.
Mit Ihren
Apellen und mit der auf Ihre Inspiration hin gestarteten „Fridays for Future“-Bewegung,
schaffen Sie viel Bewusstsein und Sie nehmen vor allem Politiker und
Wirtschaftsführer in die Pflicht, endlich tatsächlich aktiv zu werden. Das kann
ich nur unterstützen.
Und doch
fehlt mir bei all dem etwas – und dieses Etwas erscheint mir sogar ein ganz wesentliches zu sein.
Wir, ein
großer Teil der Öffentlichkeit, die meisten Kommentatoren der Medien, die vielen
Aktivisten, wir werfen den Verantwortungsträgern, allen voran den Politikern vor, viel zu lange untätig gewesen zu sein und Notwendigkeiten viel zu lang
hinauszuzögern. Die Frage ist aber, warum tun sie das?
Am
häufigsten lautet die Antwort: weil sie von Lobbyisten gekauft sind. Mitunter
heißt es auch, sie seien zu ignorant, um die Lage zu erkennen, vielleicht sogar
schlichtweg zu bequem. Ich glaube, das stimmt nicht. Jedenfalls trifft es
nicht den eigentlichen Kern.
Wissen Sie,
Greta, was das vorherrschende Gefühl in den Ministerien in Österreich, in
Deutschland, in Belgien, in Spanien, auch in den USA und ziemlich sicher auch
in Ihrer Heimat, in Schweden ist?
Ist es Gier?
Hochmut? Herrschen dort Ignoranz oder gar bodenlose Dummheit?
Sie konnten
in den letzten Monaten eine ganze Reihe von Politikern und Beamten treffen.
Heute erst den österreichischen Bundespräsidenten. Sie mögen mir gerne
widersprechen, aber ich glaube nicht, dass Sie bei diesen Begegnungen häufig das
Gefühl hatten, es mit besonders gierigen, oder korrupten, mit auffällig
arroganten oder eben dummen Personen zu tun zu haben, oder?
Wer immer in
der sogenannten westlichen Welt jemals einige Zeit in einem Ministerium verbracht
hat – zum Arbeiten und nicht für ein Interview oder eine Pressekonferenz – der wird
mir ziemlich sicher zustimmen können, wenn ich feststelle: das vorherrschende
Gefühl in den Fluren der sogenannten Zentralen der Macht ist – Angst!
Bleierne, mit
Händen zu greifende, alles durchdringende, lähmende Angst.
Sie reicht
vom Team-Assistenten bis zum Abteilungsleiter, vom Referendar bis zur Ministerin.
Sie beginnt ganz oben und wird bis ins kleinste Glied weitergereicht. Die Angst
vor dem Pressespiegel am Morgen, die Angst vor dem nächsten Shitstorm, die
Angst vor der nächsten Umfrage, vor dem Wahltag. Die Angst vor uns.
Es mag
unwahrscheinlich klingen, aber die Mächtigen fürchten uns. Und genau darum verharren
sie in Untätigkeit.
Das soll
keine Entschuldigung sein! Aber ein Apell an Sie, Greta. Sie haben eine Stimme
bekommen. Ihre Botschaften werden gehört.
Daher möchte
ich Sie bitten, fügen Sie Ihrer berechtigten Kritik, Ihren bewegenden Aufrufen
an die Politik auch ein Zeichen hinzu, das den Verantwortlichen Mut macht. Geben
Sie Ihnen in unserem Namen ein Versprechen: wir werden die Mutigen nicht fallen
lassen!
Bitte sagen Sie Ihnen, wenn ihr,
die wir in eure Ämter wählen, das tut, was endlich getan werden muss, dann werden wir euch
unsere Gunst und unsere Wählerstimme nicht wieder entziehen, auch wenn uns
nicht alle Folgen der notwendigen Maßnahmen gefallen.
Wenn ihr
endlich eine C02-Steuer einführt, werden wir euch nicht abwählen, nur weil
spanische Tomaten in Österreich dann etwas teurer werden. Wir werden nicht auf
die Straße gehen und demonstrieren, wenn der Flug nach Korfu ein Stück mehr vom
Urlaubsgeld kostet und wir werden keine Online-Petition starten, wenn weitere
Plastikartikel verboten werden.
Solange wir
das Gefühl haben, dass es dabei gerecht zugeht, halten wir zu euch, bis wir das
Ziel einer klima- und umweltfreundlichen Gesellschaft erreicht haben.
Sagen Sie
ihnen das bitte Greta. Sagen Sie ihnen: seid mutig!
Kommentare
Kommentar veröffentlichen